Tagung: E-Commerce und die alternative Streitbeilegung
Heute (29. April) erörterten im Landhaus 1 eine Reihe Fachleute alternative Methoden der Streitbeilegung, vor allem in Zusammenhang mit Online-Käufen. Wer online einkauft, trägt auch Konflikte möglichst online aus, weil sie eine unbürokratische, zeitnahe und preiswerte Lösung darstellen – dies der Grundsatz, der der heutigen Tagung zugrunde lag.
Heute (29. April) erörterten im Landhaus 1 eine Reihe Fachleute alternative Methoden der Streitbeilegung, vor allem in Zusammenhang mit Online-Käufen.
Wer online einkauft, trägt auch Konflikte möglichst online aus, weil sie eine unbürokratische, zeitnahe und preiswerte Lösung darstellen – dies der Grundsatz, der der heutigen Tagung zugrunde lag. Unter dem Titel „E-Commerce und die neue Online-Schlichtung in Südtirol: eine Gelegenheit für Verbraucher und Unternehmen“ gaben Fachleute Aufschluss über neue Möglichkeiten der alternativen Streitbeilegung – auch ADR (Alternative Dispute Resolution) genannt. Organisatoren der Informationsveranstaltung waren die Verbraucherzentrale Südtirol und die Handelskammer Bozen in Zusammenarbeit mit dem Land Südtirol.
Seit 2004 ist es ein EU-Ziel, bestimmte Streitfälle von der Gerichtsbarkeit auf Anlaufstellen der alternativen Streitbeilegung wie die Mediationsstellen oder das Schiedsgericht zu verlagern, um die Gerichte zu entlasten. Eine EU-Verordnung (Nr. 524/2013) aus dem Jahr 2013 weist außerdem die Mitgliedsstaaten an, verbraucherrechtliche Streitigkeiten über Online-Verfahren zu schlichten. Mit der gesetzvertretenden Rechtsverordnung (decreto legislativo) Nr. 130/2015 hat der Italienische Staat nachgezogen. Unter anderem sind Streitfälle in Zusammenhang mit Online-Käufen der Schlichtung unterworfen, mitunter über Online-Plattformen.
Zunächst begrüßte Wifo-Direktor Georg Lun die Teilnehmer: „Die Handelskammer Bozen in ihrer Rolle als Vertreter der Unternehmen ist daran interessiert, dass der Online-Handel funktioniert, auch in Reklamationsfällen“, sagte Lun. Es sei erfreulich, wenn in Zukunft auch bei Uneinigkeiten Unternehmen und Kunden in positiver Weise vorgehen können, um eine Einigung zu erzielen. „Deshalb haben wir gern die Kooperationsvereinbarung mit der Verbraucherzentrale Südtirol unterschrieben.“ Der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Südtirol, Walther Andreaus, wies in seiner Einleitung daraufhin, dass die Schlichtungskultur in Südtirol gestärkt werde müsse. „Es hat zwar im vergangenen Jahr über 1.000 Schlichtungen in Südtirol gegeben, aber wir müssen alle weiter daran arbeiten, dass wir den diesbezüglichen EU-Zielen laufend näher kommen“, sagte Andreaus. Zusätzlich sei es im Interesse aller, wenn beide Parteien an der Lösung des Problems teilnehmen, um die Kunden-Lieferanten-Beziehung nicht in unnötige Mitleidenschaft zu ziehen. Eine ADR würde in der Regel keine Verlierer erzeugen, sondern eine Win-Win-Situation begünstigen.
Landeshauptmann Arno Kompatscher unterstrich in seiner Einführung in die Tagung, dass ein noch stärkeres Umdenken der Südtiroler in Sachen Konfliktbewältigung fernab der Gerichte wünschenswert wäre. „Die Methoden der alternativen Streitbeilegung funktionieren dann, wenn sich die Menschen, die sich uneins sind, auf diese Alternative einlassen. Es käme zum einen der Gerichtsbarkeit entgegen, die damit weniger belastet wären. Zum andern käme es beiden Parteien entgegen, die in der Regel einer schnellen und preiswerten Lösung entgegengehen“, sagte Kompatscher. Schließlich sei der Online-Markt in Südtirol zwischen 2006 und 2014 laut Astat-Erhebungen durchschnittlich 9,6 Prozent im Jahr gewachsen. „37 Prozent der Bürger im Alter bis 34 Jahre kaufen auch online ein. Bei der Gesamtbevölkerung liegt dieser Wert bei 31,6 Prozent – also immerhin jeder dritte Bürger“, stellte Kompatscher fest. „Es freut mich im Übrigen sehr, dass die Verbraucherzentrale Südtirol in Zusammenarbeit mit der Handelskammer Südtiroler Verbrauchern und Unternehmen eine innovative Lösung für eine schnelle und sogar kostenlose Lösung von Streitfällen zur Verfügung stellt.“
Der erste Gastredner war der Professor für Rechtswissenschaften der Universität Trient, Gian Antonio Bertacchio; er sprach über die neue Gesetzeslage in Zusammenhang mit der ADR. Es folgte der Sekretär des Schiedsgerichts der Handelskammer Bozen, Ivo Morelato, der über das Angebot der Handelskammer in Zusammenhang mit der alternativen Streitbeilegung informierte. Südtiroler Unternehmen, Freiberuflern, Privatpersonen und der öffentlichen Verwaltung stehen in der Handelskammer seit 1988 Schiedsverfahren, Schiedsgutachten, Vertragsgutachten und seit 2010 auch die Mediation als ADR zur Verfügung. Neu hinzugekommen sei nun die Online-Schlichtung in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale Südtirol, in Vorbereitung sei die Dienststelle für Überschuldung, die ihre Tätigkeit im Winter 2016 aufnehmen wird.
Die Koordinatorin des Europäischen Verbraucherzentrum Bozen sprach über die neuen Informationspflichten für Online-Shops. Es folgte ein Erfahrungsbericht des Europäischen Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz, Kehl am Rhein (D), über den Webdienst online-schlichter.de, der Verbrauchern die Möglichkeit bietet, nach einem nicht zufriedenstellenden Online-Kauf, eine Online-Schlichtung zu beantragen. Der Dienst erzielt laut eigenen Angaben insgesamt rund 70 Prozent aller bearbeiteten Fälle eine gütliche Einigung. Die Verfahrensdauer habe im Schnitt 60 Tage betragen, wobei manche Fälle auch binnen 24 Stunden gelöst werden konnten.
Den guten Erfahrungen der Deutschen folgend hat die Verbraucherzentrale Südtirol in Zusammenarbeit mit der Handelskammer den neuen Online-Schlichtungsdienst Onlineschlichter.it ausgearbeitet, der in den ersten Mai-Tagen online gehen soll. Die Rechtsberaterin der Verbraucherzentrale, Sarah Allegrini, präsentierte die Details des neuen Werkzeugs zur kostenlosen Schlichtung von Konflikten in Zusammenhang mit Online-Verträgen. „Dieses Portal steht ausschließlich jenen Verbrauchern zur Verfügung, die einen Online-Vertrag abgeschlossen haben. Meist handelt es sich um Online-Käufe oder Verträge mit der Post oder Telefondienstleistern“, sagte Allegrini. Zutritt zu dem Dienst haben Verbraucher, die in Südtirol oder dem Trentino ansässig sind. Das beanstandete Unternehmen kann hingegen seinen Sitz im gesamten Gebiet der EU haben. Umgekehrt kann es sich um ein Unternehmen aus der Region Trentino-Südtirol handeln, das mit einem EU-Bürger einen Streitfall schlichten muss.
Quelle: Landespresseamt